Kommentar zu den Änderungen des Jahressteuergesetzes 2022
- Nikolai Mrosek
- 15. Jan. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Jan. 2023

Ein Teil der Änderungen des Jahressteuergesetzes betreffen das Bewertungsgesetz, dass das steuerrechtliche Fundament der amtlichen Immobilienbewertung darstellt. Nachdem am 01. Januar 2022 die neue Immobilienwert-ermittlungsverordnung 2021 (folgend nur noch ImmoWertV) in Kraft getreten ist, wird nun das Bewertungsgesetz an die vorhergehende Reform der ImmoWertV angepasst.
Viele Kommentatoren haben in den letzten Monaten Bedenken geäußert, dass die Änderungen des Jahressteuergesetzes 2022 zu erheblichen steuerlichen Mehr-belastungen für Immobilieneigentümer führen wird und es sich daher um eine Steuererhöhung durch die Hintertür handele. Ob dieser Vorwurf zutreffend ist, gehen wir in diesem Artikel auf den Grund.
Was hat es mit der ImmoWertV (2021) auf sich?
Die Reform der Wertermittlungsrichtlinien wurde schon lange von den Gutachterausschüssen gefordert und vorbereitet und war lange überfällig, da die bestehenden Richtlinien nicht einheitlich waren und nur Empfehlungscharakter hatten. Somit mangelte es den Sachverständigen an einer gesetzlichen Grundlage für ihre Arbeit. Mit der neuen ImmoWertV werden die einzelnen Richtlinien (Bodenrichtwert-richtlinie, Sachwert-richtlinie, Vergleichswert-richtlinie, Ertragswert-richtlinie, Wertermittlungs-richtlinie) in einer Verordnung gebündelt.
Eine Maßnahme, die die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Immobilienbewertung deutlich verbessert. Eine ebenso wichtige Absicht der Reform besteht darin, zu gewährleisten, dass “die Ermittlung der Bodenrichtwerte und der sonstigen der für die Wertermittlung erforderlichen Daten bundesweit nach einheitlichen Grundsätzen erfolgt”.
Die ImmoWertV 2021 ist demnach der Versuch, die Immobilienbewertungs-grundlagen sicherzustellen und somit hoheitliche Aufgaben erfüllen zu können. Darüber hinaus wird erwartet, dass Anfang 2023 Musteranwendungshinweise geliefert werden, die das Verständnis der ImmoWertV weiter verbessern sollen.
Welche Änderungen im Bewertungsgesetz?
Das Bewertungsgesetz dient den Finanzbehörden dazu, den Immobilienwert zwecks Besteuerung, beispielsweise bei Schenkung oder Erbschaft, zu bestimmen. Die Änderungen im Bewertungsgesetz verfolgen das Ziel, die amtlichen Bewertungsgrundlagen an die privatwirtschaftlichen anzugleichen und können hier eingesehen werden. Die Immobilienbewertung durch das Finanzamt soll zukünftig der Bewertung eines Immobiliensachverständigen entsprechen, d.h. sich nach dem Verkehrswert der Immobilie richten und nicht mehr den vielfach zurecht kritisierten Einheitswert zugrunde legen.
Da die Behörden jedoch im Zweifel weder über die personelle noch die sachverständige Ausstattung verfügen, jedes Bewertungsobjekt angemessen sachverständig zu würdigen, indem Begehungen stattfinden, bei denen der Zustand der Immobilie sowie ihre Mikrolage hinreichend beurteilt werden können, muss das Gesetz zwangsläufig verallgemeinern. Das bedeutet, dass bestimmte Kennzahlen der Wertermittlung, wie der Liegenschaftszinssatz, festgelegt werden, die u.U. nicht die Gegebenheiten vor Ort widerspiegeln. Dieser Umstand kann eine Über- oder Unterbewertung des Objekts zur Folge haben, je nachdem ob es sich in einer über- oder unterdurchschnittlichen Lage und/oder Zustand befindet.
An dieser Stelle ist aber wichtig zu betonen, dass von diesen Festlegungen nur Gebrauch zu machen ist, sofern der örtliche Gutachterausschuss mangels Datengrundlage keine aktuellen Kennzahlen veröffentlicht hat. Das trifft im Grunde nur auf spärlich besiedelte Regionen zu, in denen der Immobilienmarkt sehr klein ist. Für die meisten Regionen, insbesondere in NRW, werden jährlich Grundstücksmarktberichte zur Verfügung gestellt, die die für die Wertermittlung erforderlichen Daten beinhalten. Für die Objekte in Regionen, in denen der Ausschuss seiner Aufgabe der Datenbereitstellung nicht oder nur teilweise nachkommt, greift die Auffangklausel mit den genannten Festlegungen der Kennzahlen.
Auf einige der Festlegungen bzw. auf deren Änderungen, die die Immobilienbewertung potenziell beeinflussen, werde ich im Folgenden eingehen.
1) Baukostenregionalfaktor
Eine substanzielle Änderung ist zweifelsohne die Wiedereinführung eines (Baukosten-) Regionalfaktors, der die regionalen Baukostenunterschiede abbilden soll und so dazu beitragen kann, schwer vermittelbare hohe Sachwertfaktoren im Sachwertverfahren zu vermeiden. Da aber derzeit kein einheitliches Verfahren zur Ableitung eines solchen Regionalfaktors zur Verfügung steht, geben viele Gutachterausschüsse diesen Faktor mit 1,0 an. Demnach muss bei der Ermittlung des Sachwerts, bei der auf die vom örtlichen Gutachterausschuss abgeleiteten Sachwertfaktoren zurückgegriffen wird, ebenfalls der Regionalfaktor mit 1,0 angesetzt werden, um die Modellkonformität der Bewertung sicherzustellen. Der Kollege Sebastian Driessen hat beispielhaft den Effekt eines Regionalfaktors ungleich 1,0 in der Sachwertermittlung hier dargestellt. Weitere ausführliche Informationen zum Regionalfaktor in der ImmoWertV 2021 hat Jürgen Störy hier zusammengestellt.
2) Anpassung Sachwertfaktoren
Die Sachwertfaktoren erfüllen in der Sachwertermittlung die wichtige Funktion, den vorläufigen Sachwert einer Immobilie an die lokalen Marktbedingungen anzupassen. Die Faktoren werden von den Gutachterausschüssen mittels Regressionsanalyse aus den Verkaufspreisen abgeleitet und sollen in den Grundstücksmarktberichten veröffentlicht werden. Sie werden in Bezug auf den vorläufigen Sachwert und den Bodenrichtwert ausgewertet und spiegeln somit den Einfluss der Objektgröße und der Mikrolage auf die lokale Nachfrage wider. Die im vergangenen Jahrzehnt in manchen Städten zum Teil erheblich gestiegenen Haus- und Wohnungspreise, haben in denselben zu sehr hohen Faktoren geführt (> 1.2), die, wie bereits erwähnt, in der Bewertung schwer zu kommunizieren sind. Die Sachwertfaktoren im Bewertungsgesetz wurden dahingehend an die allgemeine Marktentwicklung angepasst, wie in den beiden folgenden Abbildungen gezeigt. Es sein an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen, dass die Sachwertfaktoren i.A. nur bei der Wertermittlung von Ein-/und Zweifamilienhäusern relevant sind, da diese standardmäßig im Sachwertverfahren zu bewerten sind.

Alte Fassung, Quelle: BGBl. I S. 1834

Neue Fassung, Quelle: BGBl. I S. 2294 (Nr. 51)
3) Anpassung der Liegenschaftszinssätze
Vereinfacht gesagt, sind die Liegenschaftszinssätze für das Ertragswertverfahren das, was die Sachwertfaktoren für das Sachwertverfahren sind, in dem sie den Werteinfluss des lokalen Marktes wiedergeben. Es gibt aber doch entscheidende Unterschiede. Die Zinssätze dienen in der Wertermittlung dazu, das objektspezifische Ertrags-/Risikoverhältnisse zu kalkulieren und haben damit insgesamt einen großen Anteil am Immobilienwert. Die Zinssätze werden von den Gutachterausschüssen bestimmt und als Zinsintervalle je Stadt und Objektart veröffentlicht.
Die korrekte Bestimmung des sachverständig einzuschätzenden Liegenschaftszinssatzes durch Einordnung des Objekts in das gegebene Zinsintervall, ist von entscheidender Bedeutung und erfordert einiges an Erfahrung und Hintergrundwissens seitens des Gutachters. Man beachte dabei, dass eine Senkung des Zinssatzes zu einer Erhöhung des Vervielfältigers und somit des Gebäudeertragswertes führt.
Die Liegenschaftsszinssätze wurden im Bewertungsgesetz 2008 hinzugefügt und jetzt folgendermaßen geändert:
Für Mietwohngrundstücke von 5 auf 3,5 %
Für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 Prozent von 5,5 % auf 4,5 %
Für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 Prozent von 6 % auf 5 %
Für Geschäftsgrundstücke von 6,5 % auf 6 %
Alte Fassung, Quelle: BGBl. I S. 3018
Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht die Wertänderung, die durch den gesenkten Zinssatz verursacht worden ist, am Beispiel eines Mehrfamilienhauses.
Außerdem zeigt sie sehr deutlich, welche unmittelbare Steuerersparnis aus der Bestellung eines Gutachters resultieren kann. In diesem Fall, könnte das Finanzamt auf Grundlage des BewG 2023 den Verkehrswert zu 375.600,- bestimmen. Der Gutachter hingegen, kann einen Verkehrswert von 231.300,- sachverständig begründen. Die Differenz von 144.300 ,- zwischen der Bewertung des Finanzamtes und der des Gutachters, könnte im Schenkungsfall bei Überschreitung des Schenkungsfreibetrags erhebliche Steuerforderungen nach sich ziehen.

4) Anpassung der Gesamtnutzungsdauer
Der Vollständigkeit halber, muss noch die Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer einer Immobilie von 70 Jahre auf 80 Jahre, erwähnt werden. Diese Anpassung erfolgt mit Blick auf zweierlei Umstände. Erstens, gibt das Modell der Gutachter, die ImmoWertV, die Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren vor, selbst bereits vor der Reform 2021. Zweitens hat die Erfahrung gezeigt, dass die errichteten Gebäude i.A. tatsächlich substanziell sehr beständig sind und daher eine Nutzungsdauer von 70 Jahren als zu pessimistisch angesehen werden muss.
5) Änderungen bei der Bewertung von Erbbaurechten
Da es sich hierbei um einen halbwegs speziellen Teilbereich der Immobilienbewertung handelt, werde ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Unter Umständen werde ich das Thema in einem eigenen Artikel besprechen.
In eigener Sache
Es wurde keine Änderung am §198 BewG vorgenommen, der besagt, dass der Steuerpflichtige berechtigt ist, den niedrigeren Wert des Grundstücks mittels eines Verkehrswertgutachtens eines qualifizierten Sachverständigen, nachzuweisen.
Wie obiges Beispiel gezeigt hat, kann ein solcher Nachweis zur Senkung der Steuerlast führen, wenn das Bewertungsobjekt vom Finanzamt als zu wertvoll eingeschätzt wird.
Ob dieser Fall auf Ihre Immobilie zutrifft, kann in der Regel vorab vom Sachverständigen festgestellt werden. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf und wir besprechen mit Ihnen ganz unverbindlich Ihren Bedarf.
Bei Fragen oder Anregungen schreiben Sie mir gerne an sachverstaendiger.mrosek@gmail.com
Alle in diesem Artikel gemachten Aussagen spiegeln die persönliche Einschätzung des Autors wider und ersetzen auf keinen Fall eine individuelle Beratung.
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